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Bericht zum Ironman Hamburg 2017

Bericht von Sascha von der Hellen

 

Mein erster Ironman

 

Vorbereitung
Mit dem Gedanken bei einer Langdistanz zu starten, spielte ich schon länger. Wenn nicht jetzt wann dann? Ein Ironman und ganz in unserer Nähe - in Hamburg. Ich zögerte nicht länger. Pünktlich zum Start der Anmeldung am 23.09.2016 10Uhr sicherte ich mir meinen Startplatz für den 13.08.2017. Meine Kreditkarte dafür wurde sofort mit 561,60 EUR belastet. Meine Frau und die Kindern hatte ich zu dem Zeitpunkt in mein neues Ziel noch nicht eingeweiht – hierfür wollte ich einen geeigneten Zeitpunkt abwarten. Alles schien noch in so weiter Ferne.
Im Januar startete ich mit dem Training. Der Marathon in Hannover am 9. April und die Mitteldistanz in Limmer am 11. Juni sollten mir als Zwischenziele und zur Motivation dienen, mit Erfolg: Den Marathon lief ich zum ersten Mal unter 3 Stunden und die Mitteldistanz beendete ich unter 5 Stunden. Am meisten Sorgen macht mir das Radfahren, insbesondere die 6 Stunden lange monotone Sitzposition die ich bei der Langdistanz zu erwarten hatte. Kurzerhand entschied ich mich im Rahmen der in Hannover stattfindenden Bundesradsporttage meinen ersten Radmarathon über 212Km und das Wochenende darauf mein erstes Radrennen „ProAm“ über 114Km zu absolvieren. Insgesamt bestritt ich bis zum Antritt zu meinem ersten Ironman in Summe über die drei Disziplinen rd. 6500 Trainingskilometer.


Der Wettkampftag
Endlich war der Tag gekommen. Die letzten zwei Wochen fühlte ich mich wie ein Kind, welches sehnsüchtig auf die große Bescherung zu Weihnachten wartet. Zu 3:30 Uhr waren drei Wecker gestellt. Sicher ist sicher. Die Aufregung war da, die letzten Nächte daher von schlechtem Schlaf geprägt. Kurzer Wettercheck: aktuell 13 Grad, 14 Grad sind zum Wechsel aufs Rad und 20 Grad zum Laufen prognostiziert – leichte Bewölkung mit 10 Sonnenstunden, kein Regen. Zum Frühstück standen drei Brötchen, zwei mit Magerquark und dick Marmelade und eins mit Snickers (alternativ zu meinem obligatorischen Nutella) auf dem Programm. Bei der Gelegenheit stellte ich wieder fest, Essen kann ich immer… Zu Trinken nur Wasser, den Kaffee lasse ich mal lieber sein.
Um 5:12 Uhr geht die U1 zum Jungfernstieg. Es ist noch stockfinster, Sonnenaufgang ist um 5:55 Uhr. Die Wechselzone erreiche ich um kurz vor halb sechs, meine Frau verabschiedet sich und wünscht mir viel Glück. Die letzten Vorbereitungen sind zu treffen: Die am Vortag im Rahmen des Bike Check-ins abgegebenen Wechselbeutel (blauer Beutel für Bike Utensilien, rot für die Laufschuhe) nehme ich vom Ständer und entknote sie, zum Glück ist alles trocken geblieben. Es hatte am Vortag nur geregnet. Die Wechselzone ist 750m lang, mein Rad steht so ziemlich am Ende der Wechselzone. Auf zum Radcheck. Mein Rad wurde markiert, von Vögeln reichlich mit Kot übersäht – Sattel, Lenker und Rahmen alles wurde getroffen. Meine Jacke musste als Lappen dienen. Reifen okay, elektrische Schaltung okay (schließlich stand mein Rad noch nie eine ganze Nacht im Regen draußen). Radschuhe werden montiert und mit Gummis fixiert… Verflixt, wo sind die Gummis? Auf dem Weg zum Rad verloren gegangen. Zum Glück hilft mir mein Nachbar aus. Vielen Dank. Helm über den Lenker. Zurück zum Wechselzelt, Neo an und ganz wichtig: Brille in den Radbeutel.

Der Wettkampf
Um 6:30 Uhr stehe ich mit 2.500 anderen Athleten im Schwimmstartbereich am Jungfernstieg. Der Bereich ist eingeteilt: 1. für die Profis, 2. Schwimmzeit: <1:05h, 3. Schwimmzeit: 1:05-1:15h, etc… Um 6:40 Uhr starten die Altersklassenathleten im Rolling Start, d.h. alle 2,5s starten vier Sportler gleichzeitig. Gleich bin ich am Start. Eine Ordnerin umarmt mich, wünscht mir viel Erfolg und schickt mich um 6:54Uhr ins Rennen. Ich laufe durch den Ironman Bogen, gehe eine Stufe ins Wasser und springe dann mit einem Bauchklatscher ziemlich unprofessionell ins offiziell 18,8 Grad gemessene Wasser. Wohlwissend dass mir noch eine ganze Masse an Triathleten folgt, beginne ich schnell drauflos zu kraulen. Schnell stelle ich fest, dass der Rolling Start super entspannt ist. Absolut kein „Gekloppe“ im Wasser, wie ich es von anderen Wasserstarts oder Landstarts in Wellen von bis zu 250 Athleten gleichzeitig kenne. Allerdings ist die Alster auch sehr breit und die Schwimmer verteilen sich gut. Um Kraft zu sparen versuche ich einen Wasserschatten zu finden. Leichter gesagt als getan. Die Brühe ist so dicht, man kann absolut nichts sehen. Ich mag meinem Vordermann nicht immer auf die Füße schlagen und so gebe ich mich schnell mit der Situation zufrieden, die Schwimmstrecke „alleine“ zu meistern. Nach rund 500m erreiche ich die Lombard- und Kennedybrücke. Selbst im Wasser höre ich die Zuschauer, wie sie uns anfeuern. Mein Respekt, es ist Sonntag kurz nach sieben. In der Außenalster ist etwas mehr Wellengang und ich muss mein Kopf weiter aus dem Wasser drehen, um nicht so viel Wasser zu schlucken. Gelingt mir aber nicht immer. Obwohl das Wasser für mich trotz Neo viel zu kalt ist, fühle ich mich beim Schwimmen gut. Nach 2,6Km folgt ein sehr kurzer Landgang. Ein Helfer reicht mir seine Hand und zieht mich eine Treppe aus dem Wasser hoch. Shit, irgendwo bin ich dabei mit meinem linken Fuß hängen geblieben. Egal, rum um die Kurve und mit einem kleinen Sprung zurück ins Wasser. Langsam spüre ich die Kälte in der Oberschenkelmuskulatur und habe Angst ein Krampf zu bekommen. Davon wurde ich allerdings sehr schnell durch die Verjüngung der Schwimmstrecke unter der Brücke zur kleinen Alster abgelenkt. Hier wurde es sehr dunkel und eng, richtig eng mit viel Körperkontakt. Aber das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels zeichnete auch das baldige Ende der Schwimmstrecke ab. Auch hier nahm ich wieder dankend die Hand eines Helfers entgegen, um die Treppen aus dem Wasser nach einer Zeit von 1:12:37 Stunden zu meistern.
Auf dem Weg zum Wechselzeit wird der Neo bis zur Hüfte ausgezogen, Brille und Badekappe abgenommen und nach dem Wechselbeutel fürs Radfahren gegriffen. Den Weg hatte ich mir gut eingeprägt, wohlwissend den Beutel ohne Brille finden zu müssen. Im Wechselzelt stach mir bereits mein blutiger Zeh entgegen. Mit meinem Handtuch wischte ich das Blut ab. Am linken großen Zeh war ein Loch, der komplette Zehnagel war abgerissen. Eine Ordnerin sah das Malheur und fragte, ob ich einen Arzt benötigte. Ich dachte kurz nach und sagte „Danke, geht schon“. Sie frage erneut, wollte ein eindeutiges „Ja“ oder „Nein“ hören. Ich verneinte dankend und konzentrierte mich auf den Wechsel. Auf dem Rad wollte ich nichts missen. Brille auf, Startnummer anlegen, wegen der Kälte noch ein Radtrikot überziehen. Beutel mit Neo und Co. wurde mir bereits im Wechselzelt abgenommen und so machte ich mich auf zum Rad. Dort angekommen, Helm auf, Kinnriemen zu und weiter zum Radstart. Nachdem ich etwas Fahrt aufgenommen hatte, schlüpfte ich in die Radschuhe bevor es in den Wallringtunnel ging. Trotz Sonnenschein war mir kalt, richtig kalt. Ich zitterte am ganzen Körper so sehr, dass ich nicht in der Lage war die Aeroposition einzunehmen. Nach 20 Minuten (!) hörte das Geschlottere auf, endlich nach knapp 45 Minuten fühlte ich mich „komfortabel“. Zum Glück wurde ich dabei ordentlich abgelenkt, z.B. durch die Überfahrt der Köhlbrandbrücke mit ihren 6% Anstieg. Bereits bei der ProAm stellte ich fest, dass ich i. vgl. zu anderen Radfahren mit kleinen Anstiegen weniger Probleme habe. So auch hier, überholte ich eine ganze Menge Räder, die vorbildlich wie an einer Perlenkette aufgehängt mit dem vorgeschriebenen Abstand von rd. 12m in der Reihe fuhren. In Altenwerder erreichte ich den ersten (von vier) Versorgungspunkten auf der Strecke. Ich hatte 1,5 Liter sehr leicht dosiertes Iso dabei, in meinen Testfahrten hat das trotz höheren Temperaturen immer genügt. Die gereichten Iso-Getränke sind mir meist zu hoch dosiert, ein Riegel nahm ich dankend ab. Die Strecke in Hamburg Harburg ist recht wellig, bis die Strecke in Langenrehm den Höchstpunkt mit knapp 150m erreicht. Insgesamt sind auf den 182Km 1000 Höhenmeter (in zwei Runden) zu bestreiten. Die erste Runde machte mir sehr viel Spaß, die Strecke ist m.E. sehr abwechslungsreich mit ein paar schönen Kurven, Anstiegen und Abfahrten. In Hamburg Harburg, diese Stelle wird 4 Mail passiert, feuerten mich meine Frau Claudia mit Sabine und Stephan an. Danke für die Fotos. In Hamburg kurz vor dem Wendepunkt empfingen mich auf der Brücke der Shanghaiallee Karsten und Arne auf beiden Runden – super auch hier meinen besten Dank dafür! Auf der zweiten Radrunde habe ich rund 7 Minuten eingebüßt. Zum einen fehlt mir hier die Erfahrung für eine gleichmäßige Einteilung und zum Anderen musste ich nach der Köhlbrandbrücke und der letzten Verpflegungsstation das Dixi ansteuern. Waren 1,5l Flüssigkeit für mich vielleicht doch zu viel?
Von der Anzahl an Menschen, die uns Teilnehmern auf der Strecke bejubelten war ich total begeistert. So beflügelt konnte ich mich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rd. 32 Km/h und einer Zeit von 5:39:51 Stunden auf das Laufen freuen.
Nachdem ich das Rad abgestellt hatte und die lange Wechselzone durchlief, griff ich mir den Laufbeutel vor dem Wechselzelt. Dort ziehe ich das Radtrikot aus, Socken und Laufschuhe an. Mein Zeh sieht nicht gut aus, tat aber während des Radfahrens nicht weh. Das gibt mir Hoffnung. Mal sehen wie das Laufen klappt.
Den Marathon im Frühjahr bin ich mit einer Pace von 4:12 Min/Km gelaufen. Den HM bei der Mitteldistanz in Limmer bei sehr hohen Temperaturen mit 4:24 Min/Km. Ich rechnete mir im Vorfeld eine Pace von 4:45 Min/Km aus. Wohlwissend zum Schluss etwas einzubrechen, sollte eine 3:30h drin sein. Nach dem Radfahren startete ich etwas zu schnell, pendelte mich dann aber zügig auf mein Wunschtempo ein. Hinter der Kennedybrücke feuerten mich Claudia mit Sabine und Stephan an. Zwei Kilometer darauf jubelten mir Arne und Karsten zu: „Das wird eine Topzeit“ oder so nahm ich auf. Am Jungfernstieg nahm ich jetzt nach der ersten Runde das erste von vier Gummibändern entgegen. Alles läuft super nach Plan. Zum einen war die komplette Laufstrecke mit Zuschauern gefüllt und zum anderen war ich so glücklich, die Radstrecke - für meine Verhältnisse - so perfekt absolviert zu haben. Also voller Euphorie geht’s weiter. Dennoch konnte ich die rd. 8 Stunden, die ich nun bereits unterwegs war in der zweiten Runde nicht länger unterdrücken. Ich entschied mich für ein etwas geringeres Tempo von 5:00 Min/Km. Das geht immer! Doch auch hier wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Bei Km 18 fühlte ich mich so, als ob dies mein allererster Marathon sei. Auch mein Zeh machte sich zunehmend bemerkbar. Ich blickte runter zu meinem Fuß. Der Vorfuß meines Schuhes war nun bereits deutlich rot eingefärbt. Kurzerhand entschied ich mich nicht mehr auf die Uhr zu schauen und nur noch „locker“ zu traben. Ich dachte an mein oberstes Ziel: „Ich will finishen!“ (und nicht umkippen). Ich fing an die Stimmung an der Strecke umso mehr zu genießen, sah mir die vielen bemalten und beschriebenen Schilder der Zuschauer an. Bekannte Sprüche wie „Umdrehen wäre jetzt blöd“, persönliche Schilder mit „Ironman Ralf“, etc. und Schilder für alle „Du schaffst das!“, Bilder mit „Hier drücken für Kraft“, etc. Viele unbekannte Gesichter riefen mir meinen Namen zu und feuerten mich an. Ich verbannte die Anstrengung aus meinem Gesicht und versuchte mich mit einem Lächeln bei jeden Zuschauer zu bedanken. In meiner dritten Runde wurde ich dann von vielen Teilnehmern überholt, allerdings überholte ich auch noch einige, insbesondere die die bereits gingen. Durchlaufen, nicht anfangen zu gehen dachte ich mir. Jetzt kam ich wieder an Karsten und Arne vorbei – die beiden gab mir erneut Kraft. Kurz darauf konnte ich das dritte Gummiband entgegennehmen. Letzte Runde. Ein neues, aber bekanntes Gesicht feuerte mich an „Den kenne ich!“ hörte ich Antje, eine Arbeitskollegin. Wow, dachte ich mir. Unter der Masse an Leuten erkennt und kennt mich noch jemand. Erstaunlicherweise liefen sich die letzten Kilometer wieder deutlich einfacher. Nach Aufnahme des letzten Gummis durfte ich die Zielgerade zum Rathausplatz abbiegen. Kurz davor hatten mich Arne und Karsten, jetzt in neuer Position kurz vor dem Ziel, das letzte Mal angefeuert. Ich klatsche ab und rief: „Jetzt kann mich nichts mehr stoppen, Ironman - Yeah!“ und dachte dabei kurz an mein kaputten Fuß. Ich sah nun die Tribünen, den roten Teppich und das Ironman Ziel – alles war nun so nah. Neun Monate Training. Anstatt Endspurt wurde ich eher langsamer. Glücksgefühle übermannten mich. Die Zuschauer auf den Tribünen jubelten mir zu. Rings um mich herum war weit und breit kein anderer Athlet. Ja, wirklich ich wurde bejubelt – ich konnte es kaum glauben. Der Moderator begrüßte mich namentlich, gab mir die Hand. Die Menge tobte, die Cheerleader tanzten. Mir standen fast die Tränen in den Augen. Mit einer Zeit von 10:47:26 beendete ich meinen Ausflug in die Welt des Ironman Mythos. I´m an Ironman.

Nahrung:
1,5l Isostar beim Radfahren. Nur 1/3 der Konzentration laut Anleitung
4x PowerBar Energize Cookies & Cream bzw. PowerBar New Energize Mango Tropical auf dem Rad
2x Powerbar Gels Lemon-Line bei KM5 und KM10 der Laufstrecke (später wg. geringe Tempo nicht mehr genommen)
Jede zweite Verpflegungsstation beim Laufen ein kl. Schluck Wasser. Letzte Runde auch Iso (anderer Geschmack).